Sichere Herkunftsländer? Ein Schlag ins Gesicht für verfolgte Roma.

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Sichere Herkunftsländer? Ein Schlag ins Gesicht für verfolgte Roma.
Am 19. September wird im Bundesrat über eine Änderung des Asylgesetzes entschieden, die unter anderem Serbien, Bosnien Herzegowina und Mazedonien zu sogenannten “sicheren” Herkunftsländern machen möchte.
Wir haben in den vergangen Jahren unzählige Stellungnahmen, Berichte und Interviews veröffentlicht, die belegen, dass es kein sicheres Leben für Roma in diesen Ländern gibt – und auch keine Perspektive darauf. Aus humanitären und politischen Gründen sollte den Menschen Schutz vor Ausgrenzung, Verfolgung und sozialer Not geboten werden.
Die Gesetzesänderung feuert hier wie dort Stimmen gegen »Sozialschmarotzer« an. Dabei wäre grade das Gegenteil notwendig: den Menschen, die hierher geflohen sind und fliehen, die zum Teil schon seit Jahren hier leben oder sich aktuell auf die Suche nach einem menschenwürdiges Leben machen genau diese Perspektiven zu bieten.
Wir fordern eine umfassende Bleiberechtsregelung und einen Stopp der Politik, die rassistischer Hetze Vorschub gibt.
Gerade in Deutschland sollte die Rede von historischer Verantwortung ernst genommen werden – was bedeuten würde denjenigen, die strukturell ausgeschlossen und benachteiligt werden Chancen zu geben anstatt den Ausschluss zu wiederholen und immer weiter zu zementieren.
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Unterzeichner/innen:

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Bundes Roma Verband e. V. AK Asyl Göttingen Bayerischer Flüchtlingsrat / Bavarian Refugee Council Dr. Stephan Dünnwald Annette Hauschild, Fotografin, Chachipe a.s.b.l., Luxemburg,Berlin BAG Prekäre Lebenslagen Braunschweiger AIDS-Hilfe e.V. Dr. Udo Engbring-Romang Oscar von Ewald Frauenverband Courage Essen Förderverein Roma e. V., Frankfurt am Main Georgel Caldararu, Der Paria. Politik von unten! Anabel Jujol, Ratsfrau für die Fraktion PARTEI-Piraten im Rat der Stadt Essen Prof. Dr. Wilhelm Solms für die Gesellschaft für Antiziganismusforschung e. V. Initiative Grenzen_weg von der Alice Salomon Hochschule Berlin Initiative with WINGS and ROOTS Interkulturelles Solidaritätszentrum Essen e.V. / Anti-Rassismus-Telefon Medibüro Hamburg Flüchtlingsrat Hamburg e.V. Flüchtlingsrat Thüringen e.V. Kai Weber, Flüchtlingsrat Niedersachsen Förderverein internationales Fluchtmuseum e. V. GGUA Flüchtlingshilfe e.V. Göttinger Linke Ratsfraktion GRÜNE JUGEND Göttingen die Landesflüchtlingsräte Naturfreundejugend Berlin Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. – ISL Inka Jatta (Geschäftsführung) ProAsyl/Flüchtlingsrat Essen e.V. Hilke Rusch, Berlin Filiz Demirova, Der Paria. Politik von unten! Miriam Edding, Stiftung :do Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung Rita Krüger, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Jasna Causevic, Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) Saip Asanovski, Roma Union Grenzland e.V. Ökum. Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche e.V. RAA Berlin e.V. Rechtsanwalt Ünal Zeran Roma Center Göttingen e.V. Wakti Romano e.V. Romano Drom e.V. RomaTrial e.V. IniRromnja Rroma Aether Klub Theater Rroma Informations Centrum e.V. Roma Initiative Thüringen Roma Initiative Hamburg Dirk Vogelskamp | Komitee für Grundrechte und Demokratie Verband Deutscher Sinti und Roma Women in Exile & Friends Tilman Zülch, Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ZBBS (Zentrale Bildungs- und Beratungsstelle für Migranten in Schleswig-Holstein e.V.)
 
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Für Roma ist kein Staat sicher
Reisegruppe stimmt gegen den Koalitionsvertrag
In ihrem Koalitionsvertrag planen CDU, CSU und SPD die Wege für Roma aus Südosteuropa nach Deutschland noch schwerer zu machen. Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sollen als „sichere Herkunftsstaaten“ deklariert werden. Das bedeutet verschärfte Massenabschiebungen von schutzsuchenden Roma. Denn sie machen eine große Zahl der Flüchtlinge aus – jene Menschen, die seit Jahrhunderten als »Zigeuner« verfolgt werden. Die Abschottungs-Politik von CDU, CSU und SPD trifft die Nachkommen derer, die von den Deutschen während des Nationalsozialismus vernichtet wurden.
Die aktuellen rassistischen Diskriminierungen gegen Roma in Südosteuropa sind seit Jahren bekannt: Offizielle Berichte, wie der des Komitee zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung der Vereinten Nationen (1) oder des Menschenrechtskommissars des Europarats (2), sowie zahlreiche Berichte von NGOs (3) belegen die systematische Ausgrenzung der Roma, die eine lebensbedrohliche Armut zur Folge hat.
Erst im Juni 2013 überzeugten wir uns mit einer Reisegruppe aus Anwälten, Journalisten und NGO-Vertretern aus Deutschland, Belgien und Luxemburg in Serbien von der aktuellen Lage der Roma: Wir haben erfahren, dass Roma in Serbien derzeit massiv ausgegrenzt werden, in verschiedenen Bereichen: bei der Gesundheitsversorgung, der Bildung, dem Zugang zum Arbeitsmarkt und selbst bei der Existenzsicherung auf niedrigstem Niveau durch Müllverwertung.
Zum 1. Dezember 2013 wurde durch eine Änderung des deutschen Asylverfahrensgesetzes klargestellt, dass auch eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen politische Verfolgung darstellen kann: Maßnahmen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise wie von einer schwerwiegenden Verletzung der grundlegenden Menschenrechte betroffen ist.
Es drängt sich geradezu auf, dass Roma in Serbien genau dieser Verschränkung unterschiedlicher Diskriminierungen ausgesetzt sind. Die Diskussion in Justiz und Rechtswissenschaft darüber steht erst am Anfang – und diese Diskussion will die kommende Bundesregierung brutal abwürgen indem Serbien (und andere Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien mit ähnlichen Verhältnissen für Roma) zum sicheren Herkunftsstaat erklärt wird.
Das wäre ein weiterer Schritt, die offiziell bekannte schlimme Lage der Roma in Südosteuropa zu ignorieren. Es hieße: Asylanträge aus diesen Ländern würde pauschal als »offensichtlich unbegründet« abgelehnt. Es wäre ein weiterer Schritt, nachdem Deutschland die Bearbeitung von Asylverfahren für Menschen aus diesen Ländern bereits beschleunigt hatte. Das ist beschämend, und es ist doppelt beschämend, dass diese Einschränkung des Asylrechts Nachkommen der Verfolgten des nationalsozialistischen Völkermords treffen soll.
Das haben wir im Juni 2013 auf unserer Recherche-Reise gesehen:
Wir haben auf unserer Reise durch Serbien Anfang Juni 2013 unter den dort lebenden Roma viele Menschen kennengelernt, die uns von massiven sozialen Diskriminierungen berichtet haben: Wir haben informelle Siedlungen gesehen, deren »Häuser« nur aus Sperrmüll und Pappe bestanden. Wir haben städtische Roma-Siedlungen gesehen, die seit Jahren nicht ans öffentliche Abwassernetz angeschlossen werden. Immer wieder wurde uns über die Verweigerung der Zuzahlungsbefreiung von Medikamenten für chronisch Kranke berichtet – ein sozialrechtliches Detail von oft lebensbedrohlicher Bedeutung. Wir haben gesehen wie durch eine aufwändige und kostenintensive flächendeckende Versiegelung der öffentlichen Abfalleimer in Belgrad Müllsammelnden ihre Lebensgrundlage entzogen wird.
Wir haben erfahren, dass ein Teil einer von uns besuchten Siedlung wenige Wochen vor unserem Besuch mit Bulldozern unter Polizeibewachung geräumt und zerstört wurde. Gegenüber den Medien wurde dies von der Stadtverwaltung als Räumung einer illegalen Müllkippe dargestellt.
Wir haben erfahren, dass Roma im öffentlichen Dienst völlig unterrepräsentiert sind – ihr Anteil dort entspricht gerade einem Zehntel ihres Bevölkerungsanteils – und dass qualifizierte Roma einfach nicht eingestellt werden.
Uns haben Menschen davon berichtet, das sie immer wieder – weil sie als Roma identifiziert wurden – körperlichen Angriffen und Beleidigungen bei rassistischen Übergriffen ausgesetzt sind, und dass eine polizeiliche Strafverfolgung praktisch nicht stattfindet. Wir haben Menschen kennengelernt, die uns anfangs eher beiläufig von dem während der Nazi-Besatzung nach Deutschland verschleppten Großvater erzählten, der nie eine Entschädigung erhielt.
Wir haben mit dem Leiter der Behörde gesprochen, die für die Wiedereingliederung der Abgeschobenen zuständig ist. Wir haben erlebt, wie er uns vor laufender Kamera versicherte, in Serbien müsse kein Rückkehrer in Wäldern oder unter Brücken schlafen. Nur wenige Stunden später wurde uns beim Besuch der informellen Siedlung Vidikovac am Stadtrand von Belgrad bewusst, dass dies in einem sehr zynischen Sinne sogar stimmte: Vidikovac besteht aus »Häusern« aus Sperrmüll und Pappe und steht nicht im Wald oder unter einer Brücke, sondern am Rande eines offenen Feldes. Viele Menschen dort sprechen fließend deutsch: Sie sind jahrelang in Deutschland gewesen, dort geboren und aufgewachsen.
Immer wieder wurde uns berichtet, dass Kinder von Roma sich Bücher und Kleidung nicht leisten können und sie so mit einem subtilen Gemisch aus wirtschaftlicher Ausgrenzung und Rassismus aus dem Schulsystem ausgegrenzt werden.
Die Mitglieder der Recherchegruppe sprechen sich entschieden gegen das Vorhaben von SPD und Unionsparteien aus, Serbien, Mazedonien und Bosnien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären.
Wir fordern ein Bleiberecht für Roma in Deutschland aus historischer Verantwortung.
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Serbien ist für Roma kein sicherer Herkunftsstaat.
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Allegra Schneider, Fotografin, Bremen
Andrea Vogel, Dr. med, Bremen
Anna Maria Reinking, Soziologin, Göttingen
Annette Jansen, Rechtsanwältin, Berlin
Esat Behrami, Roma Center e.V., Göttingen
Eva Reichert, Rechtsanwältin, Köln
Initiative alle bleiben, Göttingen
Ivana Domazet, Flüchtlingsrat Brandenburg
Jan Sürig, Rechtsanwalt, Bremen
Jean-Philipp Baeck, Journalist, Bremen
Karin Waringo, Politologin, Chachipe a.s.b.l., Luxemburg
Kenan Emini, Roma Center e.V., Göttingen
Malte Stieber, Journalist, Frankfurt a.M.
Martina Mauer, Flüchtlingsrat Berlin e.V.
Philip Rusche, Rechtsanwalt, Berlin
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1) United Nations/Committee on the Elimination of Racial Discrimination (CERD) 2011: Seventy-eighth session 14 February – 11 March 2011 Consideration of reports submitted by States parties under article 9 of the Convention Concluding observations of the Committee on the Elimination of Racial Discrimination. Verfügbar unter: http://www2.ohchr.org/english/bodies/cerd/docs/co/Serbia_AUV.pdf
2) Commissioner for Human Rights 2011: Report by Thomas Hammarberg, Commissioner for Human Rights of the Council of Europe, following his visit to Serbia on 12-15 June 2011, Straßburg. Verfügbar unter: https://wcd.coe.int/ViewDoc.jspid=1834869&Site=CommDH&BackColorInternet=FEC65B&BackColorIntranet=FEC65B&BackColorLogged=FFC679
3) u.a.: Pro Asyl 2012: Serbien – ein sicherer Herkunftsstaat von Asylsuchenden in Deutschland? Eine Auswertung von Quellen zur Menschenrechtssituation von Dr. Karin Waringo. Verfügbar unter: http://www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/Serbien_kein_sicherer_Herkunftsstaat.pdf
 
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Berichterstattung über Recherchereise
“Überall ausgeschlossen“
Recherchegruppe hat abgeschobene Roma-Flüchtlinge in Serbien besucht
http://www.weser-kurier.de/bremen/stadtteile_artikel,-Recherche-Roma-sind-ueberall-ausgeschlossen-_arid,723438.html
“Ich war erschüttert” Interview mit Andrea Vogel, Internistin, Klinikum Bremen Mitte “Roma werden instrumentalisiert” Interview mit Kenan Emini, alle bleiben! “In Vidikovac spricht man deutsch” Am Rande Belgrads wohnen Roma-Familien in Slum-Hütten. Viele wurden aus Deutschland abgeschoben. Manche sind dort geboren: “Aus Hamburg in die Berge” Familie M. wurde aus Hamburg-Groß Borstel abgeschoben. Abschiebungen nach Serbien, Einleitung: Erster Eindruck der Recherchereise http://www.alle-bleiben.info/recherchereise-bestatigt-die-extrem-schwierige-situation-vieler-abgeschobener/
http://www.alle-bleiben.info/isabell-und-martin/
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Fotos der Reise auch im Jahresheft der Flüchtlingsräte:
http://biq.fluechtlingsrat-bw.de/files/Dateien/Dokumente/INFOS%20-%20Publikationen/Rundbrief/2013-3/2013-3%20Rundbrief%20Fluechtlingsrat%20BW.pdf
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Erläuterung
Im Koalitionsvertrag wird für die nächsten vier Jahre unmissverständlich vorgegeben:
»Wir wollen die Westbalkanstaaten Bosnien und Herzegowina, EjR Mazedonien und
Serbien als sichere Herkunftsstaaten im Sinne von § 29a Asylverfahrensgesetz einstufen, um aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten schneller bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können. Wir wollen uns zugleich gegenüber den Regierungen dieser Staaten und der EU-Kommission dafür einsetzen, rasche und nachhaltige Schritte zur Verbesserung der Lebenssituation vor Ort zu ergreifen.«
(Seite 109, http://www.spd.de/linkableblob/112790/data/20131127_koalitionsvertrag
Sicherer Herkunftsstaat bedeutet, dass alle Asylanträge von Flüchtlingen aus einem solchen Staat »als offensichtlich unbegründet abzulehnen [sind], es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.« (§ 29 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz)
http://www.alle-bleiben.info/fuer-roma-ist-kein-staat-sicher-reisegruppe-stimmt-gegen-den-koalitionsvertrag/

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