Recherchen im Kosovo ergeben: Keine Sicherheit – für Roma am allerwenigsten

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Im Kosovo gibt es keine Sicherheit – für Roma am allerwenigsten Den Kosovo zum „sicheren Herkunftsstaat“ erklären zu wollen ist politisch und menschenrechtlich eine wahnwitzige Idee. Eine Kosovo-Recherchegruppe weiß das aus eigener Anschauung. Dokumentation der Recherchen ist erschienen. PolitikerInnen der Regierungsparteien propagieren seit Tagen die Erweiterung der Liste der „sicheren Herkunftsstaaten“ – unter anderem um das Kosovo. Dieses migrationspolitische Abschottungs­instrument schließt Menschen einzig aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit vom Grundrecht auf Asyl generell aus. Nach Serbien, Bosnien und Mazedonien nun auch den Kosovo zum „sicheren Herkunfts­staat“ deklarieren zu wollen, ist politisch sowie menschenrechtlich absurd und unverantwortlich. Als Recherchegruppe aus Anwälten, JournalistInnen, BeraterInnen und Roma-AktivistInnen wissen wir dies aus eigener Erfahrung. Im Frühjahr 2014 reisten wir in den Kosovo. Die Ergebnisse der Reise sind nun in einem umfangreichen Bericht mit zahlreichen Fotos dokumentiert. Wir besuchten Familien der Roma-Minderheit, sprachen mit Abgeschobenen aus Deutschland, interviewten Studierende und Sozialwissenschaftlerinnen der Universität in Priština – und auch eine Delegation des deutschen KFOR-Kontingents in Prizren. Unsere Gespräche mit Menschen aus Pec, dem ehemaligen Flüchtlingslager von Plemetina, in Kosovo Polje, in Priština und in der Roma-­Siedlung in Mitrovica ergaben alle das selbe Bild: Der Kosovo ist ein Staat, der das Auskommen und die Sicherheit der in ihm lebenden Menschen nicht garantieren kann – und das mindestens bezüglich seiner Minderheiten auch gar nicht will. „Bei unseren Recherchen wurde klar: Für Angehörige der Roma-Minderheit ist der Kosovo nicht sicher“, stellt Gundula Oerter von der Flüchtlingsinitiative Bremen fest. „Aber auch für die kosovo-albanische Mehrheitsbevölkerung ist das Leben weit entfernt von einem sicheren, stabilen Alltag. Dieses winzige Stück Staat als ›sicher‹ deklarieren zu wollen, ist ein ausschließlich abschottungspolitisch motivierter Skandal. Und es ist eine Lüge, die Leben kosten kann. Im Übrigen steht die unsichere Lage im Kosovo immer dann seltsamerweise völlig außer Frage, wenn es darum geht, eine Verlängerung des Bundeswehr-Mandats zu begründen.“ Im ganzen Land gibt es erhebliche Defizite bezüglich rechtsstaatlicher Strukturen, eine verbreitete Korruption und organisierte Kriminalität – und eine noch aus Kriegszeiten stammende flächendeckende Bewaffnung der Zivilbevölkerung. Die Arbeitslosigkeit der kosovo-albanischen Mehrheitsbevölkerung liegt bei über 40 Prozent, bei den unter 25-Jährigen sogar bei über 60 Prozent – und für Angehörige der Minderheiten ist der Zugang zum Arbeitsmarkt quasi unmöglich. Bis heute trennt eine Zuordnung zu einer ethnischen Gruppe oder Minderheit die Menschen im Kosovo strikt. Roma sind im ganzen Land Anfeindungen und sogar tätlichen Angriffen ausgesetzt. „Wir trafen Menschen, die überhaupt nichts haben. Menschen, die hungern und nur zögernd davon erzählen, weil sie sich dafür schämen oder es für selbstverständlich halten. Roma und andere Minderheiten werden in allen alltäglichen Aspekten des Lebens wie Arbeit, Bildung, Bewegungsfreiheit, Zugang zu Sozialleistungen und zu Gesundheitswesen systematisch diskriminiert. Sie müssen gewalttätige Übergriffe aus rassistischen Motiven befürchten. Die vielfältigen Ausgrenzungs­ und Diskriminierungserfahrungen stellen zusammengenommen eine schwere Menschenrechtsverletzung dar – dies trifft vor allem auf die besonders schutzbedürftige Gruppe der Kinder zu“, berichtet Jan Sürig, Rechtsanwalt aus Bremen. Schon nach unseren Recherchen in Serbien mussten wir erfahren, dass die migrationspolitische Zuordnung, wann ein Land als „sicher“ eingestuft wird, mit der realen Situation vor Ort rein gar nichts zu tun hat: Dort recherchierten wir im Sommer 2013 – und trafen nicht nur auf extreme Armut unter der Minderheit der Roma, sondern auch auf ein Mosaik aus Diskriminierungen, das dazu führt, dass die Menschen von jeder gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen sind und um ihr Leben bangen müssen. Nichtsdestotrotz wurde Serbien im November 2014 von der Bundesrepublik zum „sicheren Herkunftsstaat“ deklariert. Wer nun auch das Kosovo als „sicheren Herkunftsstaat“ in die Diskussion bringt, will, dass immer mehr Menschen ohne Prüfung ihres Asylbegehrens gezielt einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt werden. ps: JETZT BESTELLEN:KOSOVOBERICHT http://www.alle-bleiben.info/abgeschobene-roma-im-kosovo-journalistische-juristische-und-medizinische-recherchen/

Die Broschüre „Abgeschobene Roma im KOSOVO – Journalistische, juristische und medizinische Recherchen“ ist erschienen und kann unter admin@alle-bleiben.info – doku@koop-bremen.de bestellt werden. kosovo_web

4 thoughts on “Recherchen im Kosovo ergeben: Keine Sicherheit – für Roma am allerwenigsten

  • February 27, 2015 at 11:51 am
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    Hallo ihr lieben,

    ich finde es sehr mutig von euch dass ihr so eine Arbeit macht. Jeder der den Groß-albanischen Nationalismus kennt muss großen Respekt vor eurer Arbeit haben. Jeder der sich diesem Thema widmet befindet sich in Lebensgefahr. Übergriffe , Vergewaltigungen, Ausgrenzungen vom Arbeitsmarkt und Bildung sind leider Gottes, Alltag auf dem Kosovo. Die anständigen Menschen haben in diesem Nationalistischen Flecken Land keine Chance sich für die Rechte der Roma-Minderheit einzusetzen. Der Nationalismus ist übergroß. Ich habe den Eindruck dass in keinem Land der Rassismus und die Gefahr für Leib und Leben der Roma größer ist, als auf dem Kosovo. Da müssen sich die anständigen Kosovo -Albaner fragen was läuft schief in unserem Land? Sie wollen von anderen respektiert werden, wie auch alle andere Balkan Völker, haben aber keinen Respekt für andere. Im Gegenteil, eurer Bericht sagt es auch dass es nicht nur Menschenunwürdig ist auf dem Kosovo als Rom zu leben, sondern auch Lebensgefährlich.
    Die Politik, die europäische, ins besonderem die deutsche, macht das was sie immer tut. Augen verschließen, Ohren zumachen und Mund zu, den die Wirklichkeit zu sehen würde auch Handeln bedeuten. Gehandelt habt ihr indem ihr diesen Bericht geschrieben habt. Respekt, weiter so. Leider ist es so dass die Menschen trotzdem weiter leiden, aber der Kampf um Menschenwürde geht weiter.

    Beste Grüße

    Sami

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